17,5°C in der Executive Class der indischen Eisenbahn, besser geht es nicht. Wir lassen’s krachen mit unserer ersten Zugfahrt in Indien und frieren. Mit dieser Deluxe-Fahrt im für uns sehr veralteten Zug und mit Frühstücksmenü verlassen wir Delhi.
Smog, Slums, Selfies in Delhi
Auf dem Weg raus aus Delhi sehen wir, was wir nur aus Reportagen, Filmen oder anderen Berichten kannten. Wir fahren durch Wohn-, Bade- und Schlafzimmer von Menschen. Menschen, die an und auf den Gleisen leben. Wir fahren vorbei an Menschen, die ihre Zähne auf den Gleisen putzen. Die ihren Morgenschiss auf die Gleise machen. Die sich um ein Feuer herum unterhalten und den Tag begrüßen oder verfluchen – wir wissen es nicht. Es sind nicht nur ein paar Menschen, die so leben. Etwa 3,5 Mio. der rund 20 Mio. Einwohner Delhis leben in den sogenannten Jhuggi-Jhopri. Meist sind es Angehörige der unteren Kasten, oft schon in der zweiten oder dritten Generation. Dazwischen Hunde, Schweine, Ziegen, Kühe. Und Abfall. Viel Abfall. Fragen stellen sich. Schauen wir hin? Schauen wir weg? Wie sollen wir damit umgehen?
Ist das noch Atmen?
Aber auch die, denen es gut geht in Delhi, die ein befestigtes Dach überm Kopf haben, sind aus unserer Sicht nicht zu beneiden. Die Luft, die sie atmen, ist schwere Kost. Schon bei unserer Ankunft vor ein paar Tagen haben wir den Unterschied zu unserer Luft daheim gemerkt und buchstäblich gesehen. Bereits wenige Sekunden, nachdem wir das Flughafengebäude verlassen hatten, kratzte es im Rachen und in der Nase – eine für uns Langnasen sehr aggressive Luft. Der Smog hängt über und in der Stadt.
Die Einwohner kennen es vielleicht nicht anders, sind damit aufgewachsen oder haben sich daran gewöhnt. Wir brauchen eine gute Weile, um halbwegs atmen zu können. Die Einheimischen scheint es kaum zu stören oder sie haben sich arrangiert. Wir sehen fast niemanden mit Atemmaske oder zumindest einem Tuch vor Mund und Nase. Grad jetzt in diesen Tagen, in denen wir weiterreisen, ruft die Regierung Delhis Einwohner dazu auf, ihre Häuser nicht zu verlassen, weil der Smog neue Negativ-Höchstwerte erreicht. Die Smog-Sonne allerdings ergibt zumindest nette Bilder, wie hier in Agra.
Please, selfie with you.
Wir glauben nicht, dass sich viele an den Aufruf halten bzw. es der Großteil überhaupt mitbekommt. Abgesehen davon müssen doch all die Selfies geschossen werden an all den Sehenswürdigkeiten. Ja, OK, das mit Sehenswürdigkeiten machen wohl eher die Touristen als die Einheimischen, aber deren Lungen dürfen wohl auch geschützt werden, oder?
Das mit den Selfies ist für uns zuerst faszinierend, dann nervig. Denn an vielen Sehenswürdigkeiten möchten Einwohner Indiens ein Selfie mit uns. Mal mit Chris, öfter mit Johanna, mal mit uns beiden. Manchmal wird das Kind der Familie einfach zu uns gestellt. Manche verstehen ein einfaches Nein. Andere fangen an zu betteln. Was mit diesen Selfies mit Nicht-Indern passiert, wissen wir nicht. Im schlimmsten Fall landet man irgendwo als neue Freundin von XY im Online-Album. Die Gastgeber in Delhi und Jaipur, mit denen wir über dieses Phänomen gesprochen haben, fühlen sich schlecht für die Selfiesammler. Vielleicht ist es auch einfach nur Faszination auf merkwürdig scheinende Art ausgedrückt.